Tempomatreparatur

Registriert
10. Mai 2006
Beiträge
1.895
Danke
224
SAAB
900 I
Baujahr
1991
Turbo
FPT
Moin, liebe Saabgemeinde!

Heute möchte ich mich an alle unter euch wenden, die mit einem nicht funktionsfähigen Tempomaten 4108643 (901, MY92-94) gestraft sind :saint: . Das das Hoffen auf Heilung nicht vergebens ist, wurde hier ja schon angeführt. Und auch mir, liebe Brüder und Schwestern im Geiste ist es gelungen, zwei Totgesagte wieder zum Leben zu erwecken die mir ein gütiges Schicksal in die Hände spielte. Um von der Gemeinde nicht nur zu Nehmen sondern auch zu Geben, hier meine aus langen Studien gewonnenen Erkenntnisse:

(schwulst aus)

Eigentlich wollte ich mit dieser Geschichte noch eine Weile warten; sie ist auch noch nicht so rund wie ich es mir dachte, aber bevor einige von euch unnötig Euronen versenken, fange ich mit dem Thema schon mal an :hello: .

1. Was bisher geschah
Alex war so freundlich, mir einen defekten ‚Geschwindigkeitsregler M1992’ mit Verkabelungsplan zur Verfügung zu stellen. Beruflich dem Elektrik-Trick verpflichtet, hat es natürlich gereizt, den Funktionen dieses Sensibelchens auf die Schliche zu kommen. Die Fehler waren recht schnell gefunden, aber das war noch nicht das, was ich haben wollte. Also Adapter und Software zur Simulation der notwendigen Signale und Überprüfung der Gerätereaktionen (Foto). Der Testaufbau simuliert den für den Tempomaten relevanten Teil des Autos und reagiert auf seine Signale endsprechend. Der Rechner spuckt auch ein Prüfprotokoll aus (pdf). Davon beeindruckt war Alex dann sogar bereit, seinen EIGENEN! :biggrin: Tempomaten rauszurücken. Der ging dann auch bald.

2. mögliche Fehlerursachen
Aus nur zwei Reparaturen lässt sich natürlich noch kein Trend erkennen :questionmark: (bin doch kein Wahlforscher), aber eins scheint deutlich. Alle Lötstellen nachlöten dürfte einige Tempomaten vor der Schrottkiste retten! Durch die Vibrationen bilden sich gerade an den größeren Bauteilen kalte Lötstellen, d.h. die Beinchen der Bauteile sind nicht mehr fest mit dem Lötzinn verbunden. Das gibt dann zunächst den Effekt geht mal, geht mal nicht, und wenn dann das Beinchen ausreichend oxydiert ist, geht’s gar nicht mehr. Nur wird das Nachlöten durch den Schutzlack arg behindert. Außerdem fand sich eine defekte Induktivität am Eingang der Spannungsversorgung und ein Quarz wurde getauscht. Das abgerissene Bein eines Transistors kam wohl durch das Entfernen des Klebers am Eingangselko zustande.

KO-Kriterien bei der Reparatur dürften die Steckerleiste, der Mikrocontroller (der große schwarze Käfer) und das Relais sein. Da geht dann wohl nur aus zwei mach eins. Wobei man das Relais auch extern nachbilden kann, ist aber Fummelkram.

3. Was es noch sein könnte
Bevor ihr jetzt euren armen Tempomaten mit der Lötlampe erschreckt, sollte geklärt werden, ob der Fehler nicht doch am Auto liegt. Ich kenne den Text von einem Altsaabmeister: „Ich hab’ am Schlauch gesaugt, Auto reagiert nicht, also Steuergerät kaputt. Macht 500Euro“. Das war mir zu viel (wie vielleicht einigen anderen auch), bin dann ohne weitergefahren, bis mir ein anderer Meister die Pedalschalter gerichtet hat und nun funxt er wieder. Hier die Gründe, warum unser kleiner Freund seinen Dienst verweigern könnte. Das sollte man alles überprüfen bevor man den Tempomaten verbrutzelt, nur fragt mich jetzt bitte nicht nach dem wie; dafür gibt es Berufenere, ich bin in diesem Bereich nur Schreibtischtäter.

- Pedalschalter
Die beliebtesten Kandidaten. Die Schalter sitzen am Brems- und Kupplungspedal und halten den von der Pumpe erzeugten Unterdruck aufrecht, solange die Pedale nicht betätigt werden. Die sind genau so auszurichten, dass bei einem leichten Antippen der Pedale der Unterdruck zusammenbricht. Und dann Fuß vom Pedal, Unterdruck wieder da und Tempomat nimmt seine Arbeit wieder auf? Ne, das darf nicht und deshalb und als weiteren Sicherheitskreis hat auch jeder Pedalschalter einen elektrischen Kontakt. Die Schalter sind in Reihe geschaltet und müssen in Ruhestellung der Pedale geschlossen sein. Über diese Kontakte wird das Ein-Signal vom Bedienhebel geführt und ohne diese durchgeschliffene Boardspannung tut der Regler schon mal gar nichts. Das heißt dann auch im Umkehrschluss, der Tempomat nimmt nicht nur nach Pedalbetätigung sondern auch nach Aus- und Wiedereinschalten am Bedienhebel mit Resume seine ursprünglich eingestellte Geschwindigkeit wieder auf.

- Tachosignal
Am Tachosignal erkennt der Regler die Geschwindigkeit des Wagens. Unter 40km/h regelt er nicht. Der Tempomat erwartet ein Signal mit 0,675Hz pro km/h, also mind. 27Hz bei 40km/h um die Regelung aufzunehmen. Steht das Tachosignal nicht in allen Geschwindigkeitsbereichen stabil an (Wackelkontakt), schaltet der Tempomat ab. Hintergrund: Bei ungewöhnlich starken Geschwindigkeitsänderungen, also Auffahrunfall oder Schubser von hinten wird ein unüblicher Betriebszustand diagnostiziert und die Regelung abgebrochen :confused: .

- Bedienhebel
Die Dinger haben gerne mal Kontaktprobleme. Zum Bedienhebel gehen vier Leitungen. Die Boardspannung wird über das braune Kabel zugeführt. Bei Automatikversionen kommt diese Leitung von einem Schalter, der in drive-Stellung geschlossen ist. Bei Schalter am Bedienhebel ein führt das rote Kabel, das dann zu den Pedalschaltern geht, Spannung. Hier hängt bei US-Modellen auch die Cruise-Control-Lampe dran. Die wird nicht vom Tempomaten geschaltet. TIP ist nichts anderes, als das kurzzeitige Unterbrechen dieser Spannung. Bei Speed Set führt das grüne Kabel und bei Resume das gelbe Kabel Spannung.

- Bremsleuchten und Bremsschalter
Als zusätzlicher Sicherheitskreis unterbricht der Tempomat seine Regelung, wenn der Bremsschalter (nicht Pedalschalter) betätigt wird. Im Normalfall bekommt der Tempomat über die Bremslichter eine Masseverbindung. D.h. sind alle Bremslichter defekt oder die Leitung dorthin, geht der Tempomat nicht. Er geht auch nicht, wenn diese Leuchten Dauerleuchten.

- Pumpe und Ventil
Regelt der Tempomat, wird über die Pumpe ein Unterdruck aufgebaut, der über eine Kette den Gaszug betätigt. Ist die gewünschte Geschwindigkeit erreicht geht die Pumpe aus und das Ventil öffnet. Dann wieder Ventil zu und kurz darauf Pumpe an. Die beiden spielen ständig um die gewünschte Geschwindigkeit herum. Im Testaufbau ist der Regelbereich ca. 3 km/h, in der Praxis durch die Trägheit des Systems geringer. Erkennt der Tempomat keine gewünschte Geschwindigkeitsänderung (Pumpe/Ventil defekt, Kette ab), gibt er auf. Bei Turbos gibt es einen Unterdruckschalter, der bei Geschwindigkeitserhöhung dem APC den Einsatz untersagt. Tempomatregelung ist nur auf Grundladedruck vorgesehen :turtle: .



4. Wie geht’s weiter
Als nächstes kommt der Regler 9000 MY88-91 9526757 dran. Dann gibt’s ja noch den 901er MY87-91 9560905 und den 9000er MY92-94 4108650. Die Burschen kann ich mir auch mal ansehen. Bei endsprechender Muße nehm ich auch mal den Schaltplan der Platine(n) auf. Wenn jemand Fragen zu obigen Ausführungen oder nicht das technische Händchen hat, kann er mir ja eine PN schicken.



5. Was kannst du für die Sache tun?
Frage nicht, was... :sleep:
Na, zunächst mal Anregungen und Kritik.
- Was habe ich übersehen; was ist falsch?
- Welche Testpunkte sollte man noch mit aufnehmen?
- Welche Fehler können außerhalb der Tempomaten noch auftreten?
Dann bin ich natürlich über alle Infos rund um dieses Thema dankbar. Hat jemand Verkabelungspläne von den 9000ern? Und Testkandidaten der Versionen 9560905 und 4108650? Vielen Dank schon mal für alle Tipps, Hinweise, Bemerkungen und Anregungen.

Beste Grüsse

Roland
 

Anhänge

  • Testaufbau.jpg
    Testaufbau.jpg
    172,5 KB · Aufrufe: 111
  • Testprotokoll.PDF
    20,2 KB · Aufrufe: 51
Ich find's ja Super-Toll, dass Du das rausgefunden hast, aber mal ehrlich ... klingt nach ganz schön Arbeit und Fummelei, und angesichts der Vielzahl der möglichen Fehler ist das mit dem Erfolg der Maßnahme dann auch so eine Sache, jedenfalls für Nicht-Fachleute.

Und für jemanden wie mich, für den Lötkolben nicht zur persönlichen Welt gehören, sind die 89,00 EUR bei EPS dann doch besser angelegt.

Sorry und viel Glück allen, die lieber selber löten wollen !

Erwin
 
Ich würd' eben auch Forenmitgliedern helfen die keinen Lötkolben haben und für die 90Euro auch schon Geld ist.

:smile:

Roland
 
Ich würd' eben auch Forenmitgliedern helfen die keinen Lötkolben haben und für die 90Euro auch schon Geld ist.

:smile:

Roland

....und davon mal abgesehen, was hätten WIR davon wenn es nur SAAB Freunde gibt die wissen wie man einen Motor repariert, Tunnel schweißt, Getriebe repariert, etc wenn wir dann irgendwann da stehen und keines unserer Autos mehr läuft weil die Elektronik (welche ja nun mal auch altert, sonst würde es diese Probleme die dieser Thread anspricht ja nicht geben :smile:) spinnt oder ausfällt.

Deshalb Roland, immer schön weiter machen :smile: und als nächstes kannst du ja mal ein APC Steuergerät checken, oder aber ein Einspritz-Steugerät weil die halten bestimmt auch nicht mehr ewig!!!
 
als nächstes kannst du ja mal ein APC Steuergerät checken, oder aber ein Einspritz-Steugerät weil die halten bestimmt auch nicht mehr ewig!!!

Alles interessante Herausforderungen.
Und so schnell will ich das Altsaabfahren nicht aufgeben :smile: !
 
Roland, ich bin beeindruckt! Du must Unmengen an Zeit haben so eine Simulation zu stricken!
Machst Du noch ein paar Fotos, was Du wo genau gemacht hast ? Wert der nduktivität, etc. ? Das wär natuerlich super, und wird in die Knowledge Base aufgenommen ;)

/Tomas
 
Hi Tomas,

Die Testumgebung und die Software, um solche Abläufe zu erstellen, waren natürlich vorhanden (Du erinnerst dich > mehr Möglichkeiten :smile: ). Nötig war natürlich der Adapter und die Softwareanpassung (Geht dann bei anderen Tempomaten noch schneller :rolleyes: ). Die Induktivität am anderen Tempomaten ließ sich nicht genau messen (wollte die Klebe am anderen nicht abreisen), war aber was wie 22uH oder 47uH. Jetzt ist 47uH drinn. Der Quarz hatt 8MHz. Den sollte man vieleicht Standardmäßig gegen die neueren flachen Austauschen (HC49U/4), wg. Vibration. Mahl sehen, was bei den anderen Kandidaten so anfällt. Ich mach dann auch noch ein wenig Doku.

Beste Grüsse

Roland
 
Ich bin gespannt und freue mich auf das Ergebnis.:smile:
 
Kann man den Vibrationen evlt. mit Heisskleber beikommen ? Das muesste etwas dämpfen und trotzdem flexibel sein.

Nachlöten könnte problematisch sein mit dem Lötzinn, welches man heute verwendet. Man muesste gut viel Lötzinn nachschicken, um möglichst viel von dem alten runterzubekommen, oder ?

Geil wär ein Simulator am Hp48, sozusagen zur mobilen Diagnose....

/To
 
Aus meiner reichhaltigen Erfahrung mit 2 Tempomaten :smile: wage ich mal die Vermutung, dass damals bei der Fertigung nicht alles richtig lief. Wenn die Beinchen und die Platine vor dem Löten ordentlich von Oxydationen befreit wurden (Fluxer vor der Lötwelle, endspricht Kolophonium im Zinn) dürfte sich die Verbindung Lötzinn - Beinchen als letztes lösen. Hier gabs aber einige kalte Lötstellen (schwarzer Ring ums Beinchen, ein Fall fürs Mikroskop). Ich denk mal, dass ist das Hauptproblem dieser Serie. Ein weiteres Problem ist, dass es sich um eine einseitig-kaschierte Platine handelt. D.h. Kupfer befindet sich nur auf der einen Platinenseite. Wäre auf beiden Seiten Kupfer, wären die Lagen mit sog. Durchkontaktierungen verbunden (Kupfer in den Bohrungen). Ist hier nicht, also kann in die 1,5mm, die das Beinchen durch die Platine laüft, kein Zinn fliesen. Da vibrierts immer. Da kann man eben auch kein Lötzinn 'nachschieben'.

Wichtig ist jedenfalls, dass man beim Nachlöten das alte, verbleite Lot nimmt. Für das neue, bleifreie braucht man höhere Löttemperaturen. Das Lot verträgt sich nicht mit dem Alten und die Temperaturen ev. nicht mit den Bauteilen.

Heißkleber hilft vielleicht etwas bei den höheren Bauteilen, nur mach das mal wieder ab, wenn das Teil doch raus muss.

Reparieren kann man vieles. Aber bei der Gefahr von neuen Gammellötstellen 2 Jahre Garantie? Viel Spaß.

Beste Grüsse

Roland
 
Konnte man den Werkvertrag nicht auf 1 Jahr reduzieren?!?!?

Ansonsten, am Wochenende gibs erstmal einen Testbericht des Kandidaten B, wie gehts denn Kandidat C?


Viele Grüße und danke für den super Bericht hier

Alex P.
 
Wenn die Platinen nur single layer sind, dann kannst Du die kalten Lötstellen mit ein bisschen Glueck im Backofen richten.
230 Grad vorheizen, Platine mit Lötstellen nach unten reinlegen, nach 30 sek (ueber die Zeit bin ich mir nichtmehr im klaren, ist ein schätzwert) wieder rausholen.

Heisskleber eben WEIL es auch wieder recht gut abgeht und flexibel ist.

Von wegen Werksgarantie.... Ich glaube "professionell" darf man das mit dem alten Lötzinn eh nichtmehr machen...

/To
 
Euer Hinweis auf Garantie ist nicht Euer Ernst, oder?
 
nein! jedenfalls nicht von meiner seite... 's gibt da ja nur diese sache mit der EU Gesetzgebung, nachdem Du als "Verkäufer" (ich weiss allerdings nicht, wieweit das auch fuer Reparaturen gilt) eine Gewährleistungspflicht hast. Kenne aber keine Details.
/To
 
- Ich glaube die Sache mit 2 Jahre Garantie habe ich irgenwo bei erwin/EPS gelesen. Die Garantie bezieht sich bei Reparaturen natürlich immer auf die ausgeführten Arbeiten. Also eine Lötstelle nachgelötet und die daneben Gammelt, dann ist es wohl kein Garantiefall, aber Diskusionsstoff.

- Nachlöten ist hier so doof, weil die Platine bis zum Relais in Schutzlack getaucht ist. Das möcht, ich nicht im Backofen haben :mad: . außerdem braucht mann ja gerade das Flussmittel im neuen Lot, um die Oxydationen zu beseitigen. Für Reparaturen darf man verbleites Lot nehmen, man darf auch neue Baugruppen verbleit fertigen, wenn sie zu Instandhaltungszwecken benötigt werden und der ganze Verkehrsbereich (Fahrrad, Auto, Schiff u.s.w.) muss eh noch nicht bleifrei :smile: .

- C hats warm und trocken, aber das Testfeld muss gerade an irgendwelchen unwichtigen Nebensächlichkeiten seine Existenz rechtfertigen.....

Beste Grüsse

Roland
 
Find ich große Klasse!
Da hast Du mal ein fettes Engagement vorgelegt.

Steven
 
Nachbau mit Heimmitteln ? diverse D/A Wander plus PC ?!
/To
 
Nach der erfolgreichen "Reparatur" meines Tempomaten fällt mir zur Ergänzung Deiner Rubrik "Was kann es sosnt sein" ein:

Einfach mal den Schlauch von der Vakuumpumpe (vorne links im Motorraum/Radkasten) abziehen...saugen...und gucken ob sich die Drosselklappe bewegt....

Wenn ja, dann Zunge drauf und gucken, ob der Druck hält...

Wenn sich nichts bewegt bzw. die Drosselklappe beim "Zunge drauflegen" langsam zugeht, entweicht die Luft...

Bei mir waren es
a) poröse Schläuche und
b) ein defektes Ventil, welches das APC bei eingeschaltetem Tempomat
abschaltet (das mit dem kleinen roten Hütchen)
 
Zurück
Oben