aero84
fat middle aged man
- Registriert
- 29. Apr. 2003
- Beiträge
- 14.205
- Danke
- 1.794
- SAAB
- 900 I
- Baujahr
- 1985
- Turbo
- FPT
Naja, kommt drauf an, was man unter sozialem Brennpunkt versteht.
Für die Münchner ist Neuperlach ja ein Brennpunkt. Kann ich nicht verstehen.
Dort hat mir noch niemand angedroht, mich abzustechen, dort mußte ich mich noch nie mit Freunden in einer Garage verschanzen und die Drehmomentschlüssel und Metallstangen (vom Wagenheber) austeilen, weil die Polizei sich nicht getraut hat anzurücken. (In München habe ich die Polizei sowieso nur einmal gebraucht, und das war nach einem Autounfall.)
Im Wedding und in Neukölln dagegen...
Mir ist - hoffentlich - jede Spießigkeit fern, und ich schlendere gerne abends durch Friedrichshain oder den Prenzlauer Berg (auch wenn der seit 2004/2005 durch die vielen Süddeutschen leider sehr langweilig und spießig geworden ist, Fehlt nur noch, daß die Schwaben dort die Kehrwoch einführen...). Ich finde München zwar nett und sauber und ganz angenehm, aber auf Dauer doch zu eng und provienziell und miefig und freue mich immer, wenn ich in das leicht anarchische, verrückte, überdrehte Berlin komme. München bzw Bayern allgemein ist mir - ganz diffus, nur der Stimmung wegen - irgendwie zu ordentlich, zu konformistisch, zu repressiv.
Und ich kann dem jungen Römer dennoch nur beipflichten. Freiheit endet da, wo die des anderen beginnt. Zur Freiheit gehören nicht nur die klassischen politischen Grundrechte gegen den Staat, nein, der Mensch braucht auch Sicherheit: der Person und des Eigentums. Nicht nur vor dem Staat, sondern auch vor Kriminellen. Wer Brandanschläge begeht, der bringt nicht nur Leib und Leben anderer Menschen in Gefahr, der vernichtet nicht nur Sachwerte, der greift einen Grundpfeiler der freien Gesellschaft an. Das ist die politische Dimension dieser Taten. Sie erschöpft sich nicht in einem diffusen "Protest" gegen Ungleichheit und Diskriminierung, den der eine oder andere zu erkennen glaubt.
Das staatliche Gewaltmonopol ist ja begründet alleine im Schutz des Einzelnen vor der Gewalt, der er im rechtlosen Zustand ausgesetzt wäre. Wenn der Staat den Bürger aber nicht schützen kann, mit welcher Rechtfertigung beansprucht er dann das Gewaltmonopol für sich? Wenn in meiner Nachbarschaft Autos und Häuser angesteckt würden, dann würde ich doch zumindest darüber nachdenken, wie ich mich selber schützen kann. Von der Nachbarschaftswache zur Bürgerwehr ist es da nicht weit, und zur Selbstjustiz erst recht nicht. Ganz ehrlich: wenn mein Eigentum durch Brandstiftung vernichtet würde, und man fände den Täter am nächsten Tag an einem Laternenmast baumelnd, dann könnte ich mich sicher nicht davon freisprechen, dabei Genugtuung zu enpfinden. Wer hier den - durchaus berechtigten -Einwand bringt, Gewalt erzeuge doch Gegengewalt, der muß sich auch bewußt machen, daß das irgendwann auch in der anderen Richtung stattfinden kann.
Von solchen Zuständen ist Deutschland - ich hoffe es zumindest - noch weit entfernt. Woanders auf dieser Welt ist das aber so: wer es sich leisten kann, kauft sich Sicherheit (gated community), wer nicht, der nimmt sie selber in die Hand oder hat halt Pech. Haben wir eben von einer Spaltung der Gesellschaft gesprochen?
Straftaten zuzulassen (oder nicht unter Kontrolle zu bekommen) ist nicht nur der Anfang vom Ende des Staates, es ist auch der Anfang vom Ende unserer Gesellschaft. (Nebenbei: Republik kommt von res publica, der öffentlichen, der gemeinsamen Sache. Staat und Gesellschaft sollten ja eigentlich deckungsgleich sein...)
Natürlich greift Repression alleine zu kurz, wenn aus einem Umfeld der Perspektivlosigkeit und der Frustration Straftaten verübt werden. Damit behält man vielleicht den Deckel auf dem Topf, aber der Druck steigt weiterhin. Natürlich muß man nach gesellschaftlichen, sozialen und politischen Gründen forschen* und daraus Konsequenzen ziehen. Nur so kann man den Druck wieder reduzieren. Aber mit warmen Worten alleine kommt man bei der Kriminalitätsbekämpfung nicht weit. Und manchmal muß man halt zusehen, daß der Topf irgendwie abgedeckt bleibt, bevor das heiße Fett durch den ganzen Raum spritzt.
* Es ist ja nicht so, daß diese unbekannt wären. Wir sind die erste Generation, die keine Hoffnung haben kann, daß es Ihnen einmal besser geht als Ihren Eltern, oder daß sie zumindest deren Lebenstandard oder gesellschaftliche stellung halten können. Für uns mag es vielleicht noch zehn oder zwanzig Jahre lang einige Hochs geben, aber perspektivisch geht es bergab. Wenn das schon für die gebildete, gut ausgebildete und leistungsbereite Mittelschicht gilt, welche Perspektiven gibt es dann noch weiter unten?
Für die Münchner ist Neuperlach ja ein Brennpunkt. Kann ich nicht verstehen.
Dort hat mir noch niemand angedroht, mich abzustechen, dort mußte ich mich noch nie mit Freunden in einer Garage verschanzen und die Drehmomentschlüssel und Metallstangen (vom Wagenheber) austeilen, weil die Polizei sich nicht getraut hat anzurücken. (In München habe ich die Polizei sowieso nur einmal gebraucht, und das war nach einem Autounfall.)
Im Wedding und in Neukölln dagegen...
Mir ist - hoffentlich - jede Spießigkeit fern, und ich schlendere gerne abends durch Friedrichshain oder den Prenzlauer Berg (auch wenn der seit 2004/2005 durch die vielen Süddeutschen leider sehr langweilig und spießig geworden ist, Fehlt nur noch, daß die Schwaben dort die Kehrwoch einführen...). Ich finde München zwar nett und sauber und ganz angenehm, aber auf Dauer doch zu eng und provienziell und miefig und freue mich immer, wenn ich in das leicht anarchische, verrückte, überdrehte Berlin komme. München bzw Bayern allgemein ist mir - ganz diffus, nur der Stimmung wegen - irgendwie zu ordentlich, zu konformistisch, zu repressiv.
Und ich kann dem jungen Römer dennoch nur beipflichten. Freiheit endet da, wo die des anderen beginnt. Zur Freiheit gehören nicht nur die klassischen politischen Grundrechte gegen den Staat, nein, der Mensch braucht auch Sicherheit: der Person und des Eigentums. Nicht nur vor dem Staat, sondern auch vor Kriminellen. Wer Brandanschläge begeht, der bringt nicht nur Leib und Leben anderer Menschen in Gefahr, der vernichtet nicht nur Sachwerte, der greift einen Grundpfeiler der freien Gesellschaft an. Das ist die politische Dimension dieser Taten. Sie erschöpft sich nicht in einem diffusen "Protest" gegen Ungleichheit und Diskriminierung, den der eine oder andere zu erkennen glaubt.
Das staatliche Gewaltmonopol ist ja begründet alleine im Schutz des Einzelnen vor der Gewalt, der er im rechtlosen Zustand ausgesetzt wäre. Wenn der Staat den Bürger aber nicht schützen kann, mit welcher Rechtfertigung beansprucht er dann das Gewaltmonopol für sich? Wenn in meiner Nachbarschaft Autos und Häuser angesteckt würden, dann würde ich doch zumindest darüber nachdenken, wie ich mich selber schützen kann. Von der Nachbarschaftswache zur Bürgerwehr ist es da nicht weit, und zur Selbstjustiz erst recht nicht. Ganz ehrlich: wenn mein Eigentum durch Brandstiftung vernichtet würde, und man fände den Täter am nächsten Tag an einem Laternenmast baumelnd, dann könnte ich mich sicher nicht davon freisprechen, dabei Genugtuung zu enpfinden. Wer hier den - durchaus berechtigten -Einwand bringt, Gewalt erzeuge doch Gegengewalt, der muß sich auch bewußt machen, daß das irgendwann auch in der anderen Richtung stattfinden kann.
Von solchen Zuständen ist Deutschland - ich hoffe es zumindest - noch weit entfernt. Woanders auf dieser Welt ist das aber so: wer es sich leisten kann, kauft sich Sicherheit (gated community), wer nicht, der nimmt sie selber in die Hand oder hat halt Pech. Haben wir eben von einer Spaltung der Gesellschaft gesprochen?
Straftaten zuzulassen (oder nicht unter Kontrolle zu bekommen) ist nicht nur der Anfang vom Ende des Staates, es ist auch der Anfang vom Ende unserer Gesellschaft. (Nebenbei: Republik kommt von res publica, der öffentlichen, der gemeinsamen Sache. Staat und Gesellschaft sollten ja eigentlich deckungsgleich sein...)
Natürlich greift Repression alleine zu kurz, wenn aus einem Umfeld der Perspektivlosigkeit und der Frustration Straftaten verübt werden. Damit behält man vielleicht den Deckel auf dem Topf, aber der Druck steigt weiterhin. Natürlich muß man nach gesellschaftlichen, sozialen und politischen Gründen forschen* und daraus Konsequenzen ziehen. Nur so kann man den Druck wieder reduzieren. Aber mit warmen Worten alleine kommt man bei der Kriminalitätsbekämpfung nicht weit. Und manchmal muß man halt zusehen, daß der Topf irgendwie abgedeckt bleibt, bevor das heiße Fett durch den ganzen Raum spritzt.
* Es ist ja nicht so, daß diese unbekannt wären. Wir sind die erste Generation, die keine Hoffnung haben kann, daß es Ihnen einmal besser geht als Ihren Eltern, oder daß sie zumindest deren Lebenstandard oder gesellschaftliche stellung halten können. Für uns mag es vielleicht noch zehn oder zwanzig Jahre lang einige Hochs geben, aber perspektivisch geht es bergab. Wenn das schon für die gebildete, gut ausgebildete und leistungsbereite Mittelschicht gilt, welche Perspektiven gibt es dann noch weiter unten?