Auszuwandern, wenn man hier gerade mal die Schnauze voll hat ist mE eine ähnliche Situation wie einzukaufen, wenn man gerade mal ein Loch im Bauch hat.
Die Wahrscheinlichkeit, daß da am Ende etwas rauskommt, was nur die Bedürfnisse einer spontan bestehenden Situation befriedigt, ist denkbar hoch.
Habe selbst ein Semester lang in Norwegen (Kristiansand) gewohnt und studiert, war ungezählte Male in DK und schätze die Teile von Skandinavien, die ich kenne, und deren Bewohner sehr. Ich schildere meinen persönlichen Fall und die Lehren die ich zog und kann mir denken, daß dies auch für andere skandinavische Länder gelten kann.
Nachdem ich in NOR ein Arbeitsangebot hatte, habe ich schwer überlegt dort zu bleiben.
Im Zuge dieser reiflichen Überlegungen habe ich versucht, Norwegen realistisch zu beurteilen und gegen D abzuwägen.
Mein Fazit:
Am Ende ist es ein Land wie jedes andere auch mit Vorteilen und Nachteilen, die, je nachdem von wo aus man sie betrachtet, in unterschiedlchen Dimensionen vorliegen können. Das sahen auch die Bewohner selbst so, beschwerten sich über ihr ungerechtes Sozialsystem, die hohen Steuern usw.. genauso wie es zB Deutsche gern tun. Keiner meiner norwegischen Bekannten hat mir dazu geraten nach NOR zu ziehen. Mir war das vollkommen unverständlich, war Norwegen aus meiner Sicht doch viel lockerer, offener, freundlicher und zukunftsfähiger aufgestellt als ich dies in D empfand..
Woher kommt dann dieser mehr oder weniger verklärte Blick, der jede objektive Betrachtung zu färben versucht?
Mein Fazit:
Daß bestimmte Aspekte eines bestimmten Landes vorteilhaft erscheinen ist dem Umstand geschuldet, daß dieser Aspekt im aktuell bewohnten Land und in der aktuellen persönlichen Lage subjektiv nachteilhaft empfunden wird.
Dieses Wahrnehmungsmuster wird sich allerdings nirgends auf der Welt ändern. Daher ist der Schlüssel zur Lösung einer aktuell als unbefriedigend empfundenen Situation mE weniger, einfach in eine andere Situation umzusiedeln, sondern die Gründe für die Unzufriedenheit in der aktuellen Lage zu finden und diese dort einer Lösung zu zu führen.
Nach realistishcer Betrachtung hat mich Norwegen dann auch in einigen Punkten genervt, wenn aufgrund der Lockerheit verabredete Termine/Arbeitsinhalte dann doch nicht eingehalten werden, wenn man aufgrund bevormundender Gesetze um 1 Uhr aus der Bar gekehrt wird, wenn man aus densleben Gründen auf der gähnend leeren Straße nicht mehr als 80 fahren darf, wenn sich rausstellt, daß alle reizenden Damen unter 30 schon seit Jahren verheiratet sind und 3 Kinder haben, wenn man in einer norwegischen 80.000 Einwohner-"Großstadt" nach 3 Monaten jeden Pflasterstein mit Vor- und Nachnamen kennt usw usf..
Ich weiß noch genau wie sich dem Abschiedsschmerz doch die Freude beimengte, bald wieder in einem offenen, weiten Land zu sein, tun zu dürfen was ich wollte solange ich den weit gesteckten gesetzlichen Rahmen nicht zu arg ausreizte, nicht zuletzt auch die Vorfreude auf meine Freunde. Irgendwie stellte sich ein Heimatsgefühl ein, daß ich vorher nie kannte.
Das Land auf das ich mich auf einmal freute war Deutschland.. für mich selbst damals wie heute genauso unglaublich und unwirklich empfunden wie das beim Lesen jetzt auf manchen wirken mag.
Mein bescheidener Rat insgesamt:
Auswandern erst einmal auf Probe probieren (im Sinne eines 6-monatigen "Arbeitsurlaubs"/Sabbaticals o.ä.), und zwar mit "vollem Bauch" (also nicht aus einer drohenden Arbeitslosigkeit oder sonstwie unbefriedigender Lage). Jeder selbst wird dann erkennen, welche Vor/Nachteile in welchem Land überwiegen und eine finale Auswanderungsentscheidung fundiert und für sich selbst beruhigend treffen können.
Grüße,
Daniel