Hallo,
es ist schon sehr spät und ich stehe noch ein wenig unter Schock, auch die insgesamt zwölf Stunden Zugfahrt haben mich sehr mitgenommen.
Das Auto, welches mir heute vorgeführt wurde, hatte aber auch rein gar nichts mit dem zu tun, was mir in der Beschreibung zugesagt wurde.
Hier nochmal die komplette Beschreibung aus der Auktion:
"Sie bieten hier auf einen Saab 900 in einem Topzustand.Optischer Zustand top, kein Rost, keine Schrammen etc. Technischer Zustand ebenfalls top, alles wurde für den Tüv gemacht. 2 kleine Mängel: elektrische Antenne nicht mehr funktionsfähig und Beifahrertür kann durch Zentralverriegelung nicht geöffnet/geschlossen werden - wahrscheinlich ausgehangen.Sie sehen das Auto steht top da und da es scheckheftmäßig gepflegt wurde - ist aber nicht mehr vorhanden - hält es auch noch weitere 230.000 km.Das Auto verbraucht keinerlei Öl oder Wasser der Mutter ist 100% trocken.Er braucht je nach Fahrweise zwischen 9-11l auf 100km"
Ca. eine Stunde nach meinem Eintreffen am Bahnhof erschien der Verkäufer mit dem Fahrzeug. Als erstes fiel mir sofort auf, dass der Lack an den Kanten der Radkästen stumpf und ausgeblichen aussah. Da hatte jemand sehr unprofessionell angerostete Kanten geschliffen, gespachtelt und vermutlich mit Spraydose drüberlackiert. Mit dem Finger entlangfahrend konnte ich deutliche Unebenheiten erfühlen.
Dann stieg ich ein und wurde von einer Wolke aus Nikotin und Teergeruch umhüllt - das Auto ist ein Kettenraucherfahrzeug, der Innenraum äußerst ungepflegt, alle Kunststoffelemente waren ausgeblichen und teilweise stark verkratzt. Auf den Sitzen befanden sich ebenfalls bereits stark versiffte Schonbezüge. Drunter habe ich dann erstmal gar nicht mehr geguckt.
Soviel zum optischen "Top-Zustand".
Auf dem Weg zum Wohnhaus des Verkäufers hatte ich dann einige Fragen parat. Plötzlich war der Wagen aus 3. Hand und erst seit 4 Wochen auf ihn zugelassen. Warum er denn einen Wagen bereits nach 4 Wochen verkaufe - der Benzinverbrauch sei ihm zu hoch. Den offensichtlichen Grund durfte ich kurze Zeit später selbst "erfahren", doch dazu gleich mehr. Im Kobiinstrument leuchtete die "Check Engine"-Lampe. Ich fragte, was das zu bedeuten habe. "Zu wenig Benzin" erhielt ich als Antwort. Spätestens da kam ich mir total veralbert vor. Der Verkäufer wollte wir ernsthaft glaubhaft machen - er nannte sich immerhin "Dr. ....", wobei der akademische Titel, wie alles andere an der Geschichte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur vorgeschwindelt wurde - ,dass er der englischen Sprache nicht mächtig sei und "Check Engine" vermutlich "Energie checken" hieße. Der Tank war auch tatsächlich schon fast leer, aber so einen Stuss hatte ich noch nie zuvor gehört.
Nun kam der große Augenblick, ich sollte ans Steuer und eine Probefahrt machen. Auf dem Weg um den Wagen herum bemerkte ich einen beissenden Ölgeruch, den ich noch zu gut aus meiner Jugendzeit von den zu Schrott gefahrenen Golf II in Erinnerung hatte. Ich warf einen Blick unters Auto und bemerkte zahlreiche kleine Öltröpfchen, die sich bereits an den unteren Aggregaten versammelt hatten. Mit einen Stück Papier fuhr ich an den Stellen ein wenig entlang und hatte sofort ordentlich Öl an der Hand. Der Verkäufer erzählte mir, er hätte diesen Ölverlust nie zuvor bemerkt und könnte sich nicht erklären, woher das Öl komme. Er sei 5000 km ohne Probleme mit dem Wagen gefahren und das sei ein Beweis dafür, dass alles in Ordnung ist. Außerdem kenne er den Vorbesitzer persönlich. Übrigens war der Vorbesitzer zu Beginn der Fahrt noch eine befreundete Familie, später hieß es dann, es wären Bekannte eines Kunden ! Jaja, irgendwann bricht das Kartenhaus in sich selbst zusammen.
Ich schlug vor, den Wagen in irgendeiner Werkstatt in der Nähe auf meine Kosten hochheben und durchchecken zu lassen. Er bejahte diesen Vorschlag zwar, schlug jedoch gleich die Fahrt zu einer ihm "bekannten" Tankstelle mit Werkstatt vor, da er dort jemanden kennen würde, der ihm außerdem schon das Nachfolgeauto vermittelt hätte.
Während der ersten paar Meter auf dem Weg zu dieser Tankstelle wurde mir ganz klar, dass ich dort vermutlich auf einen "Spezl" von ihm treffen werde, der natürlich alles an diesem Auto verharmlost und schönreden würde.
Glücklicherweise kamen wir zufällig an einer "pit-stop"-Station vorbei und ich scherte geistesgegenwärtig, ohne ihn gefragt zu haben, von der Hauptstrasse auf den "pit-stop"-Parkplatz aus.
Der dortige Mechaniker war sehr freundlich und bat mich sofort zur Weiterfahrt auf die Hebebühne.
Was jedoch dann erfolgte war ein Trauerspiel. Der gesamte Unterboden im Motorbereich war von einer dicken Ölschicht bedeckt, so dass der Mechaniker nur tippen konnte, es wäre der Simmerring oder die Ölwannendichtung.
"Alles Peanuts" (ich dachte er könne kein Englisch) meinte der Verkäufer, worauf ich erwiderte "für mich nicht".
Hinzu kamen dann noch fast ausgerissene Querlenker auf beiden Seiten, die laut Aussage des Mechanikers Sicherheitsrelevant sind und ein defekter Mitteltopf.
Jetzt wurde auch das Geheimnis der "Check Engine"-Leuchte gelüftet. Das herausziehen des Messstabs ergab, dass sich nur noch eine nicht mehr messbare Menge Öl im Motor befand. Die Aussage des Mechanikers lautete "Es ist ja gar kein Öl mehr im Motor !".
Was danach folgte war eine verbale Auseinandersetzung mit dem Verkäufer die ich nicht mehr wortwörtlich wiedergeben kann. Auf alle Fälle wurde ich noch beschimpft, was mir eigentlich einfiele uvm. Wider besseren Wissens und wider der Aussagen eines anwesenden Experten beharrte er bis zum Schluß auf dem Standpunkt, dass der Wagen "Top, Top Top !!!"- in Ordnung sei.
Nun ja, nur kurze Zeit später stand ich wieder am Bahnhof im Regen und wartete auf den Zug, der mich vom Rhein zurück nach München bringen sollte.
Es hat mir wirklich noch nie jemand in meinem Leben zuvor dermaßen von A-Z ins Gesicht gelogen und versucht, mich derart dreist abzuzocken. An dem Auto, an der Story, an dem ganzen Typen war alles von vorn bis hinten erlogen !
Es waren noch zahlreiche andere Kleinigkeiten, die zusammen mit meinem Bauchgefühl mich haben eindeutig spüren lassen: Finger weg ! -> Gurke ! Mit dem Auto wäre ich nie und nimmer glücklich geworden.
So, jetzt habe ich mir meinen Frust von der Seele geschrieben ! Danke fürs aufmerksame Lesen - ich gehe gleich ins Bett und fange morgen wieder an die Kleinanzeigen bei mobile, autoscout und Konsorten zu durchforsten.
Gruß
Victor