Dienstleistung Hohlraumversiegelung nebenberuflich anbieten - wie?

Registriert
24. März 2022
Beiträge
91
Danke
51
SAAB
900 I
Baujahr
1986
Turbo
Ohne
Hallo zusammen,

ich habe da mal eine Frage an diejenigen die hier vielleicht selbstständig sind oder sich auf dem Gebiet auskennen.

Mal angenommen, ich möchte nebenberuflich eine Hohlraumversiegelung von KFZ als Dienstleistung anbieten. Laut einem älteren IHK-Dokument was ich Online gefunden habe handelt es sich bei dieser Tätigkeit nicht um ein Handwerk, d.h. es ist kein Meistertitel oder eine Ausbildung notwendig. Das ist schonmal gut, da ich nur Ingenieur bin ;)

Woran muss ich alles denken? Was kann schief gehen? Wie muss ich mich gegen Schäden absichern? Oder ist diese Idee komplett irrsinnig oder so gar nicht umsetzbar?

Ein paar Randparameter:
  • Ausrüstung: soweit vorhanden bzw. wird aus Eigenkapital beschafft.
  • Erfahrung: einige Fahrzeuge habe ich bereits konserviert
  • Werkstatt: Nutzung einer Selbsthilfewerkstatt (Hebebühne, Druckluft)
  • Meine Ausbildung: Ingenieur Elektrotechnik
  • Nebenberuflich: Ich habe einen Vollzeitjob, könnte das also nur nebenher und in begrenztem Umfang machen. Daher fällt das Ganze sicher auch unter die Kleinunternehmerregelung was für mich natürlich vorteilhaft wäre.
Fragen die so aufkommen:
  • Gewerbe anmelden (IHK oder Gewerbeamt - das lässt sich rausfinden)
  • Unternehmensform: "UG" scheint erstmal sinnvoll zu sein da haftungsbeschränkt und kein Startkapital notwendig. Oder was ist hier optimal.
  • Rechtsschutzversicherung sinnvoll? Was passiert wenn ein Kunde klagt (aus welchen Grund auch immer)?
  • Weitere Versicherungen? (Schäden am Kundenfahrzeug, eigene Körperliche Verletzungen beim Ausführen der Arbeiten, ...)
  • Was ist noch zu tun um mich selbst gegen finanzielle und rechtliche Schäden abzusichern und das Ganze auch korrekt (Steuer, Recht, ...) ausführen zu können?

Vielen Dank schonmal vorab und schöne Grüße,

Johannes
 
Die Anmeldung als Gewerbe erfolgt bei der Gemeinde - als Einzelunternehmer, und als Art des Betriebes "sonstiges" ankreuzen.
Wenn du die Anmeldung in der Hand hast, dann folgt die Anmeldung beim der IHK - ich gehe mal so wie du auch davon aus, dass dein Vorhaben nicht unter Handwerk fällt.
Je nach Umsatz bist du hier bis zu einer bestimmten Grenze beitragsfrei (ich meine sogar, als Gründer sowieso für eine erste Zeit).
Dann teilst du dem zuständigen Finanzamt mit, was du vor hast (ich meine mich zu erinnern, dass sich das von ganz alleine ganz schnell bei mir gemeldet hatte).
Wenn ich mich weiter richtig erinnere, schicken alle ein Formular, in dem du mehr oder weniger detailliert eintragen musst, was genau du vorhast. Hier musst du nur aufpassen, dass du keine Kriterien für eine Handwerkstätigkeit erfüllst.
Beim Finanzamt wird dann dein Umsatz darüber ausschlaggeben, ob du unter die Kleingewerberegelung fällst und somit Umsatzsteuer zahlen musst oder nicht. Und ansonsten halt brav jährlich deine Steuererklärung für das Gewerbe abgeben.
Also von Anfang an ordentlich Buch führen nach den Vorgaben des Amtes!

Was ich an deiner Stelle unbedingt abschließen würde, wäre eine Haftpflichtversicherung, die für von dir verursachte Schäden an Kundenfahrzeugen eintritt - sowas kann dich sonst schnell finanziell ruinieren!
Und eine Versicherung deine Betriebsausstattung solltest du unbedingt in Erwägung ziehen - wie schnell ist mal eingebrochen oder auf andere Weise ein Schaden entstanden, und mit der Zeit sammeln sich an Ausrüstung und Werkzeug doch ganz enorme Werte an.
Andere Versicherungen sehe ich (zunächst) noch nicht als notwendig an.
Rechtsschutz - eher nicht, ich denke, gerade in der Anfagszeit übersteigt der Aufwand den Nutzen (kannst dir ja mal ein paar Angebote machen lassen wenn du dich damit besser fühlst, und dann entscheiden, ob du das Geld dafür ausgeben magst).
Und eine Betriebsausfallversicherung kommt bei einem Nebenerwerb ja auch nicht unbedingt in Betracht.

Für eigene Verletzungen kannst du dich selbst bei der zuständigen Berufsgenossenschaft (welche zuständig wäre, kann ich dir nicht sagen) anmelden und absichern.

Komplizierter wird es erst, wenn du mal Angestellte haben willst...
 
Hallo @patapaya ,

vielen Dank für die schnelle und ausführliche Rückmeldung. Das klingt ja alles tatsächlich weniger schlimm und kompliziert als erwartet und doch nicht unrealistisch.

Als Einzelunternehmer würde ich ja im Falle eines Falles mit meinem gesamten Privatvermögen haften. Mit einer UG nicht. Bei der UG ist jedoch der Aufwand (Anmeldung, ausführlicher Jahresabschluss) als bei einem Einzelunternehmer (einfache Steuererklärung). Lassen sich diese Haftungsrisiken durch entsprechende Versicherungen (betriebliche Haftpflicht), die man dann ja sowieso haben sollten, abfangen?

Angestellte will ich nicht, das soll wirklich nur gelegentlich nebenher laufen.
 
Schließe mich patapaya weitestgehend an, jedoch mit ein paar Extras.

Rechtsform
Wie von dir richtig erwähnt bietet die UG den Vorteil, dass sie vergleichsweise kostengünstig realisiert werden kann.
Es gibt hierbei jedoch sieben Stolperfallen:
1. "Prestige"
Unternehmergesellschaften haben in der Regel eine schwache Außenwirkung im Geschäftsverkehr, da es (fast) keine Anforderungen an das Stammkapital gibt.
Da du dich mit Eigenmitteln finanzierst, kann dir das egal sein, aber abhängig von deinem Kundenkreis kann das durchaus eine Rolle spielen.

2. Rechnungslegung
Kapitalgesellschaften zu denen eine UG zählt unterliegen automatisch der Buchführungspflicht (HGB), eine Ausnahme nach §241a greift nur für Einzelkaufleute bzw. Personengesellschaften.
Das bedeutet für dich einen erhöhten Aufwand am Ende eines jeden Jahres.

3. Stammkapital
Wie zuvor erwähnt hat die UG kaum Anforderungen an das Stammkapital. Du kannst mit einem Euro gründen, bist jedoch sofort überschuldet sobald die ersten Forderungen eintreffen.
Aus diesem Grund solltest du etwas mehr einlegen.

4. Gesetzliche Rücklage
In §5a Abs. 3 GmbHG ist geregelt, dass jährlich 25% des Gewinns in die Rücklagen zu stellen sind.
Erst wenn du 25.000€ erreicht heißt, ist der "Zwang" vorbei und du kannst (musst aber nicht) zu einer GmbH umfirmieren.

5. Gewinnausschüttung
Wenn du dir etwas ausbezahlen willst, musst du brav Körperschaftssteuer entrichten (15% zzgl. 5,5% Soli).
Den ausgezahlten Betrag musst du anschließend nochmal mit deinem Einkommenssteuersatz versteuern.

6. Stille Reserven
Einlagen erfolgen zum Teilwert, was eine steuerfreie Aufdeckung dieser ermöglicht.
Willst du diese Vermögensgegenstände (kurz VG) aus den Büchern deiner Gesellschaft ziehen (also wieder in dein Privatvermögen (PV) überführen), musst du diese aufdecken.
Du musst dir das einfach so vorstellen:
Eine Kapitalgesellschaft ist eine eigene (juristische) Person und stellt ein eigenes Steuersubjekt dar. Euer Vermögen wird steuerlich also getrennt betrachtet.

Damit kann man schnell auf die Fresse fliegen und richtig vom Finanzamt einen auf den Deckel kriegen.

7. Freibeträge
Während du immer deinen Steuerfreibetrag hast, gibt es auch noch andere Steuern die zu entrichten sind.
Hierzu gehört vor allem die Gewerbesteuer. Einzelunternehmer und Personengesellschaften haben hier den Vorteil eines Freibetrags von 24.500€.
Gewinne bis zu dieser Höhe sind in den genannten Konstellationen steuerfrei.

Meine Empfehlung wäre daher ebenfalls ein Einzelunternehmen zu gründen.
Es sei denn du verfügst über Vermögensgegenstände die du unbedingt im Falle einer Insolvenz schützen und nicht übertragen willst.

Für genaueres empfehle ich den Gang zum Steuerberater, welchen ich an dieser Stelle gewiss nicht ersetzen werde ;)

Ablauf
Das wichtigste wurde bereits geschrieben.
Geh zuerst zu deiner Stadt und melde dein Gewerbe an.
Anschließend kannst du dich auch proaktiv beim Finanzamt melden und den Anhörungsbogen ausfüllen.
Achte unbedingt, dass dein erwarteter Umsatz nicht die 22.000€ übersteigt, andernfalls kannst du von der Kleinunternehmerregelung in §19 Abs.1 UStG keinen Gebrauch machen.
Ich weise deshalb darauf hin, da du hier den Fehler begehen könntest und direkt 22.000€ in das Feld reinschreibst im Glauben drunter zu sein.

Würdest du das diesen Monat reinschreiben rechnet das Finanzamt nämlich so:
22.000€/5 Monate (bis Jahresende) = 4.400€*12=52.800€ = KEIN Kleinunternehmer

Die IHK meldet sich im übrigen von alleine bei dir. Informier dich dort über die Freibeträge und die Beitragsgebühren.

Hinweis zur Kleinunternehmerregelung

Ich hoffe du weißt, dass die Inanspruchnahme bedeutet, dass du nicht nur keine USt zahlen musst, sondern diese auch nicht abziehen kannst.
Solltest du im Ausland ab und an mit deiner Steuernummer bestellen (was durchaus erforderlich sein kann), bist du aufgrund des Reverse-Charge-Verfahrens dazu verpflichtet die USt. abzuführen.

Vereinfacht:
Bist du Kleinunternehmer und jemand liefert dir zum Nettowarenwert aus einem EU-Mitgliedsstaat, musst du eine UStVA einreichen (bis zum 10ten des Folgemonats; bis dahin muss auch die Überweisung an das FA erfolgt sein).
Du zahlst dann quasi die 19% nach.

Buchführung

Falls ich dir bis hierhin Angst gemacht habe - hier der beruhigende Teil.
Du kannst Geld und Nerven sparen indem du so etwas wie Lexoffice verwendest.
Wir verwenden das für alle steuerrelevanten Sachverhalte unserer deutschen Verwaltungsgesellschaft und ich kann dies nur wärmstens empfehlen.
Alles wichtige wird dort erstellt und kann auch direkt an das Finanzamt übermittelt werden.

Der Hauptvorteil liegt jedoch meiner Meinung nach in der Einfachheit der Anwendung.
Sollte jemals das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung hier sein, kann ich den Beamten einfach einen Login erstellen und sie alles durchsuchen lassen.
Alles ist sauber abgelegt und mit den Buchungen verbunden. Bequemer und transparenter für beide Seiten geht es fast nicht mehr.

Da bin ich auch schon beim Hauptpunkt - viele Leute denken, dass das Finanzamt immer sehr böse ist, was ich so jedoch nicht bestätigen kann.
Zumindest unser Finanzamt bietet einen sehr freundlichen und kompenten Service. In den Jahren kamen immer wieder mal Fragen zusammen, die ich dort beantwortet bekam.
Also nutz das Angebot im Zweifel und frag lieber einmal zu viel nach, als zu wenig. Keiner haut dich da in die Pfanne, außer du hast wirklich etwas sehr fahrlässiges gemacht.

Rechtsschutz
Darüber kann man nachdenken, jedoch sehe ich in deinem Geschäftsmodell ein sehr geringes Risiko.
Falls du eine Homepage planst - registriere dich am besten bei der IT-Rechtskanzlei und lass dir dort die Texte für ein paar Euro im Monat zusammenstellen.
Es gibt genug ******* die dir das Geld mit Abmahnungen aus der Tasche ziehen wollen, also tritt erst gar nicht in das Fettnäpfchen.

Haftpflicht
Definitiv ja. Du wirst die Fahrzeuge zwangsläufig bewegen und sie werden auf deinem Grundstück stehen.
Also hier nichts anbrennen lassen.

Noch etwas:
Rechne von zu Zeit zu Zeit damit, dass dich dubiose Firmen anrufen werden und versuchen dir am Telefon irgendwelchen Müll aufzuschwatzen.
Von Google Bewertungen, Google My Business Fotos bis hin zu irgendwelchen Solaranlagen oder Firmeneinträgen.
Wenn so Leute anrufen einfach auflegen.

Für dich greift dann nämlich nicht das BGB, sondern HGB - Kaufleute (ob eingetragen oder nicht) können auch mündlich Geschäfte abschließen.
Zwar verlieren besagte Unternehmen in 99% aller Fälle vor Gericht, jedoch ist das ein Kampf den man nicht unbedingt kämpfen muss.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die IHK meldet sich im übrigen von alleine bei dir.
Stimmt, und ich meine, dass sich vor der IHK sogar die Handwerkskammer bei mir gemeldet hatte und auch schon diese detaillierte Darstellung der geplanten Tätigkeit haben wollte, um daran dann festzustellen, dass sie nicht zuständig ist, und das dann offenbar direkt an die IHK weitergeleitet hat. Die mir dann einen gleichlautenden Fragebogen nochmal zuschickte... :redface:
 
Wir betreiben das Geschäft mittlerweile im Nebengewerbe. GmbH, Meldung bei der HWK und dem Gewerbeaufsichtsamt. Keine IHK, entweder oder.
 
Hallo Euch allen zusammen,

vielen vielen Dank für die umfangreichen und sehr informativen Antworten. Ich werde mich jetzt weiter mit dem Thema beschäftigen und kann dann hoffentlich im Herbst damit starten.

Schöne Grüße,

Johannes
 
Zurück
Oben