V49668

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SAAB
96
Baujahr
1968
Turbo
Ohne
Es schneit. Die hügelige Landschaft, in der mein altes Bauernhaus liegt, leuchtet weiß. Sie wird "Bucklige Welt" genannt und befindet sich am südöstlichen Zipfel des Bundeslandes Niederösterreich. Was läge näher - wenn doch schon der Wohnort seinen Rücken krümmt - ein Auto zu fahren, welches dies ebenfalls tut?

Der Buckelsaab passt sich geschmeidig in diese Gegend ein. Doch er war schon da, bevor ich meinen kleinen Bauernhof erwarb, mit ihm erkundete ich die Bucklige Welt, auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Nun ist er allerdings in sein altes Nest zurückgekehrt und ein um zwei Jahre älterer Bruder wartet geduldig in einer steirischen Garage darauf, zu mir zu kommen...

Vor viereinhalb Jahren entdeckte ich im Internet einen günstigen Saab 96: das schöne Chrommodell, Baujahr 1970, im guten Zustand - bis auf die Folgen eines leichten Motorbrands. Einige Foristen werden wissen, um welches Fahrzeug es sich handelt, und auch, dass der ehemalige Besitzer der gegenwärtige ist. Der weiße 96er mit roter Innenausstattung ist wieder bei Gerald in Tribuswinkel.

Meine erstes Auto war ein 1959er Fiat 600. Mein zweites ein 1961er Hillman Minx Cabrio. Dann wuchs die Begeisterung für französische Fahrzeuge. In den 90er Jahren reiste ich nach Frankreich und stöberte alte Dyanes, Ami 6, IDs und Peugeot 204 auf, die für wenige Franc in meinen Besitz übergingen.
Später fand ich Gefallen an japanischem Barock der 70er Jahre. Ich kaufte Autos, verkaufte sie wieder. Eine starke Verbundenheit mit einer bestimmten Automarke gab es nicht.

Ich besaß nie einen BMW, nie einen Mercedes, nie einen VW - und bis 2008 nie einen Saab. Doch die Rundungen der frühen Modelle hatten es mir schon immer angetan. Dazu das unschuldige Gesicht, die verschämte und dennoch selbstbewusste Schrulligkeit. Der Saab 96 ist ein Brot-und-Butter-Auto, bei dem die Butter ein wenig zerlaufen zu sein scheint. Einfach charmant.

Nach der Instandsetzung lernte ich die Fahrqualitäten zu schätzen. Mit seinen eng zusammenstehenden, dünnen Haxen unter dem überbordenden Blechkleid könnte man vermuten, dass der 96 ständig stolpert oder um jede Biegung schwankt, doch seine Straßenlage gefällt mir, die Sitzposition ist genau richtig und große Lenkräder, hinter denen ein Schaltknüppel hervorragt, liebe ich sowieso.

Unvermeidbar nahm mein Fuhrpark Ausmaße an, die die meines Grundstücks sprengten. Ich spielte mit dem Gedanken, den Saab zu verkaufen, getreu der selbstauferlegten Verpflichtung, dass ein Neuerwerb eine Veräußerung bedingen muss. Ein Gedankenspiel, das mir nicht gefiel.
Das Pickerl (TÜV) war abgelaufen. Dieses wollte ich auf jeden Fall neu machen lassen; also brachte ich den Saab zur Werkstatt (in Österreich darf die Überprüfung von autorisierten Werkstätten durchgeführt werden). Einige Kleinigkeiten waren zu reparieren und leider vorne links bei der Radaufhängung ein Blech einzuschweißen. Ich ließ den Saab zur Reparatur bei der befreundeten Firma, überzeugt, dass ich ihn nicht verkaufen werde, denn meine Begeisterung war wieder entfacht und ohne spürbare Not hat die Vernunft nun mal keine Chance gegen das Gefühl.

Aber es kam anders. Während sich die Mechaniker am Blech abmühten und jene 96er-typische Schwachstelle aufwändig instandsetzten, spürte ich eine spartanische, interessante Anzeige im Internet auf. Ohne Bild wurde ein 1968er Saab angeboten, grau, vollrestauriert, akzeptabler Preis.
Einige Tage später nahm ich das besagte Fahrzeug in Augenschein. Ich war der erste, der vorbei kam, jedoch nicht der einzige, der Kontakt aufgenommen hatte. Gerald war mit dem Anbieter bereits in schriftlicher Verbindung.
In einer Ecke, unter Decken vergraben, stand ein 96 aus meinem Geburtsjahr, ohne Motorhaube, ohne Chromzier und mit weißem Dach. Fast vollrestauriert. Rostfrei, neu lackiert, neu tapeziert (Gestühl), Bremsen, Gummis, Auspuff etc. neu gemacht, Getriebe und Originalmotor mit 64tkm neu überholt.

Auf die Frage, warum er denn nach all den vielen Stunden perfektionistischer Hingabe den schönen Wagen verkaufe, antwortete mir der Anbieter Folgendes: Er habe ihn vor zehn Jahren von einem Bekannten bekommen, der ihm Geld schuldete. Der Saab mit österreichischer Erstzulassung war schon damals bereits über zwanzig Jahre nicht mehr zugelassen gewesen und in erbärmlichen Zustand. Keiner bot einen vernünftigen Preis. Also begann der ehemalige Kfz-Mechaniker mit der Restauration, obwohl ihm der Saab nicht gefiel. Immer wenn es ihm zu Hause und mit der Familie zu eng wurde, fuhr er in seine Halle und bastelte weiter. Vor vier Jahren machte er dann die erste Probefahrt - von schätzungsweise einem Kilometer Länge. Jetzt hat er sein erstes Auto wieder gekauft, einen 1975er Alfasud, weswegen der Saab nun weg muss. Er hatte sich ja ohnehin nie mit diesem Modell anfreunden können.

Ich konnte und wollte nicht widerstehen. Das schönste aller Saab-Gesichter lächelte mich an, in sehnsuchtsvoller Erwartung auf ein zweites Leben im Straßenverkehr. Im Frühling wird er übersieden, bis dahin verbleibt er noch eingemottet in seiner vertrauten Garage. Furcht vor bösen Überraschungen habe ich nicht. Nach 25 Jahren Erfahrung mit Autoverkäufern und -käufern verlasse ich mich auf meine Menschenkenntnis. Sollte ich mich täuschen, so sehe ich das als meine eigene Verantwortung.

Leider habe ich kein einziges Bild von meiner neuen Errungenschaft, lediglich vom 1970er 96, den nun Gerald wieder hat, neu überprüft, aber mit rutschender Kupplung bei Vollgas. Wie gesagt, die Ausmaße meines Grundstücks sind beschränkt, zumindest die des befahrbaren Teils, und es war wohl keine gute Idee, rückwärts auf feuchtem Grund eine Steigung hochzufahren, bis die Kupplung qualmt...
Übrigens, dass Gerald "seinen" weißen Saab zurück hat und ich nun den grauen, freut - da erlaube ich mir, auch für ihn zu sprechen - uns beide.

Nun, das ist meine Saab-Geschichte bis zum Jänner 2013. Sollte mein Grundstück unverhofft wachsen und ein 95 genauso unverhofft meinen Weg kreuzen, würde ich nicht ausschließen, dass das Gefühl einmal wieder über die Vernunft siegt. Ansonsten wäre vielleicht noch zu erwähnen, dass der Rest meiner Autofamilie französisch und japanisch dominiert ist und gleichermaßen Aufmerksamkeit einfordert:
Peugeot 204 Cabrio 1970 - für meine Freundin ohne Konkurrenz
Peugeot 204 Limousine 1975 - 51tkm, aus 1. Hand gekauft, sehr gut und sehr original
Renault 16 1969 - ungeschweißt und mit mattem, roten Lack sowie Dellen. Bleibt so!
Honda Civic 1978 - vor zwölf Jahren um 160€ gekauft. Unverwüstbar, immer noch ungeschweißt
Honda Z 600 1974 - extrem selten und skurril, vor zehn Jahren um 160€ gekauft, Wiederbelebung noch nicht abgeschlossen, technisch aber o.k. bis auf die defekte Kopfdichtung. Nur zwei kleine Durchrostungen.

Desweiteren habe ich einen 1977er Eriba Pan Wohnwagen. Da fällt mir gerade ein: Hat jemand eine Anhängerkupplung für den Saab 96 zu verkaufen?

Grüße aus der Buckligen Welt.
 
Willkommen hier! Eine schöne Geschichte und schön geschrieben ... "Das schönste aller Saab-Gesichter lächelte mich an, in sehnsuchtsvoller Erwartung auf ein zweites Leben im Straßenverkehr." :smile:
 
Ein Willkommen auch von mir.:smile:
 
Feine Sache das :smile:

Alles Gute und ein freundliches Willkommen von R490192 :tongue:

Allzeit gute Fahrt!
 
Übrigens, dass Gerald "seinen" weißen Saab zurück hat und ich nun den grauen, freut - da erlaube ich mir, auch für ihn zu sprechen - uns beide.

Wunderschöne Vorstellung - und ja , Du sprichst ganz eindeutig für uns beide :smile: ...
 
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